Hui… früh am Morgen ist der Himmel sternenklar und es ist wirklich frisch geworden. Pünktlich um 6:45 Uhr steht Sina vor der Tür und ich schlüpfe schnell in die Wanderschuhe. Mit großen Schritten und fröstelnd schreiten wir in Richtung Odenwald und damit der aufgehenden Sonne entgegen.
Die ersten drei Kilometer bringen uns von meiner Wohnung zum Bahnhof Friedrichsfeld/Neu-Edingen. Nach rund 30min sind wir dort und warten nur kurz in der Kälte, bis der Zug nach Weinheim eintrudelt. Fast nichts los, wir haben einen ganzen Waggon für uns alleine.
Kaffee haben wir noch keinen gefunden und für die leckere Käseauswahl, die ich Freitag im Käsestübchen in Seckenheim nach eifriger Probiererei gekauft habe, fehlt uns noch Baguette. Die Zugverbindung ist eine Presspassung, weshalb uns in Weinheim nur 4min zum Umsteigen bleiben. Zu kurz, um hier noch schnell in eine Bäckerei zu springen.
Also fahren wir - Daumen drückend - nach Birkenau und hoffen, dort eine Bäckerei zu finden. Nach wenigen Fahrminuten erreichen wir das kleine, stille und recht ausgestorbene Örtchen und wollen uns bei Passanten nach einer Bäckerei durchfragen. Die Passanten, die uns am nächsten stehen, formen eine Schlange und als unser Blick die Schlange entlang wandert, erkennen wir lachend, dass das Ziel der Schlange ein mobiler Brötchenwagen ist. Eine sympathische Frau verkauft frische Backwaren und zahlreiche Birkenauer decken sich dort mit ihren Sonntagsbrötchen ein.
Wir erstehen ein gefühlt 2m langes Baguette, das so knackig und lecker ausschaut, dass uns schon das Wasser im Munde zusammenläuft.
Flugs eingepackt und schon folgen wir den freundlichen Wegzeichen des altbekannten E1 (Europäischer Fernwanderweg 1) südlich aus Birkenau heraus. Heute wollen wir nämlich unsere Wanderung im September wiederholen und erneut dem E1 von Birkenau Richtung Ziegelhausen folgen. Unsere letzten Wanderungen (z.B. im Schwarzwald) waren eher kürzer und wir beide hatten Lust, mal wieder ein paar Kilometer mehr zu bezwingen.
Unsere Motivation leidet ein wenig, als wir uns den steilen Anstieg hinauf schleppen. Kälte, mangelndes Training und wenig Schlaf wirken sich dann doch aus. Aber nach den ersten wenigen Kilometern erreichen wir den Höhenkamm über Buchklingen und damit auch diese super-bequeme Liegebank mit Blick in die Ferne. Übermütig stürmen wir den steilen Anstieg zur Bank hinauf. Natürlich gefällt das meiner Wade nicht (die hatte vor Monaten eine Zerrung) und ich merke deutlich, dass die Zerrung plötzlich wieder wehtut. Egal. Sitzend und halb liegend verschnaufen wir und lachen uns kringelig.
Freudestrahlend packt Sina plötzlich eine Thermoskanne mit zwei Bechern aus, zwei Löffel und sogar Servietten. Was da wohl kommt?
Flädlesuppe! Selbstgemachte Gemüsebrühe mit Möhren, Sellerie, Petersilie und weiteren, leckeren Zutaten. Ein Gedicht. Die Suppe schmeckt so intensiv nach Gemüse, dass ich zwei Becher lang kaum etwas sage (außer „Mhmmmm… lecker!“) und nur löffle und genieße. Flädle hat sie auch dabei und so genießen wir ein Stück Erinnerung an den Schwarzwald hier im Odenwald.
Nachdem die gute Suppe innerhalb weniger Minuten in unseren Mägen verschwunden ist, packe ich den Käse aus. Bei Baguette und leckerem Käse (Albkäse, Bockshornklee-Käse und würziger Wiesenkräuterkäse) genießen wir die Sonnenstrahlen, die uns langsam auftauen. Immer wieder kommen Hundespaziergehende, Radelnde und Wandersleut vorüber und schauen neidisch auf unseren Berg an leckersten Lebensmitteln.
Wir sind satt, strecken die Beine aus und dösen in der Sonne. In letzter Zeit werden unsere Pausen immer länger und so verwundert es uns kaum, dass es schon später am Vormittag ist, als wir endlich zusammen packen. Meine Wade schmerzt. „Selbst schuld“ höre ich meine innere Stimme hämisch sagen und genau dieser trete ich in den Po. Etwas Übermut muss auch mal sein.
Unser Weg führt nun auf dem Rücken des Berges entlang rund um Buchklingen herum. Über Gorxheimertal, abschnittsweise entlang einer Straße, kommen wir wieder in den Wald, in dem uns steile Aufstiege Richtung Steinklingen erwarten. Keuchend schleppen wir uns hinauf und erreichen endlich den Weg zwischen Wiesen hinauf nach Steinklingen. In der Sonne machen wir Pause und genießen das traumhafte Wanderwetter.
Gemeinsam träumen wir von einem kalten Getränk in der Suppenschüssel und ich habe noch das Bild des Kochkäse mit Zwiebel und Bratkartoffeln vom letzten mal vor Augen. Dank Corona können wir zZ ja nicht einkehren… Umso größer ist die Überraschung, als wir an der Suppenschüssel ankommen und feststellen, dass wir Essen bestellen können. Eine kurze Beratung, vier freudestrahlende Augen und schon erstehen wir nicht nur Cola bzw. alkoholfreies Weizen, sondern auch noch eine Portion Kochkäse mit Musik. Eine nahe Bank ist unser Mittagstisch. Unglaublich, wie lecker dieser Kochkäse mit in Butter blanchierten Zwiebeln schmeckt. Ein kleines Stück Baguette in den Käse tauchen, Augen zu und hineinbeißen. Wahnsinn!
Ob der fortschreitenden Zeit brechen wir bald schon wieder auf und genießen als erstes einen steilen Anstieg. Uff… voller Bauch…
Die Sonne sinkt schon langsam und wir reden u.a. über die weitere Vorgehensweise am heutigen Tag. So langsam kristallisiert sich der Plan heraus, heute nur nach Wilhelmsfeld zu stapfen.
Doch zuerst kommt der Kohlhof, ein Naturfreundehaus, das corona-bedingt komplett geschlossen hat. Wieder kein Kaffee…
Ein Päuschen später gehen wir die Zielgeraden nach Wilhelmsfeld an. Als wir selbiges erreichen steuern wir freudestrahlen die Tankstelle an und decken uns mit Kaffee und Süßigkeiten ein.
Wir schlürfen den zweiten Kaffee und genießen eine unverschämt süße amerikanische Schokoladen-Erdnuss-Sünde, als uns ein älterer Herr anspricht und darum bittet, telefonieren zu dürfen. Klar darf er das. Er hat wohl sein Mobiltelefon in irgendeinem Auto eines Freundes vergessen und koordiniert nun ein Treffen. Danach beglückt er uns mit Witzen, die nicht so richtig witzig sind. Egal. Bald darauf kommt der Bus und wir lassen uns nach Ilvesheim schaukeln.
Am Neckar entlang stapfen wir - ich dank meiner wiederkommenden Knieschmerzen unter „Aua“-Geräuschen - nach Seckenheim und zu mir nach Hause.
Diesen wunderschönen Tag runden wir mit Duschen, Tee und einem Film ab, auf den wir uns schon lange gefreut hatten. Eigentlich wollten wir „Wildherz“, so heißt der Film, im Kino schauen, aber Corona hat die einzige Vorstellung in unserer Nähe verhindert. Nun kann er online geschaut werden, was wir gerne tun. Die Bilder sind schön, inhaltlich lässt er ein zwiegespaltenes Gefühl zurück. Irgendwie merkwürdig, wenn eine 20-jährige, deren letzten Jahre nur aus Reisen und Abenteuer bestand, feststellt, dass sie keinerlei Ziele hat und nun Schamanen und merkwürdige Lebenscoaches besucht und befragt. Hmmm… um das komische Gefühl am Ende des - eigentlich sehr schönen Films - zu neutralisieren, schauen wir noch zwei Episoden aus What a Trip - Around Oz. Ein handfester Reisedoku-Film, kein Selbstfindungstrip. Eine schöne Abwechslung.
Nun schlägt die Müdigkeit zu und Sina packt zusammen. Am Auto verabschieden wir uns. Ein schöner, wander- und genussreicher Tag geht zu Ende.
Mann… war das lecker! Gemüsesuppe, die genial nach frischem Gemüse geschmeckt hat, Käse und Baguette, Kochkäse und Zwiebeln… mhhmmmm… Dazu wieder viele Gespräche, der Gedankenaustausch mit Sina, Lachen und Nachdenkliches. Es macht einfach riesig Spaß und ist schön, zu zweit durch den Wald zu stapfen und über alles mögliche quatschen zu können. Danke, Sina, für diese sehr schöne, anregende und spannende Freundschaft! Mit Dir wandern ist nicht nur die Fortbewegung des Körpers in schöner Landschaft, sondern auch das Entdecken neuer Ideen, Gedankengänge und kritische aber freundliche Reflektieren des Ichs. Bewegung regt zum Denken an.
Gesamtstrecke: ca. 22km
Tags:
Wandern, Deutschland, Tagestour